20 Oktober 2023

„An einem Jahrmarkt der Eitelkeiten bin ich nicht interessiert“ – Jens Wawrczeck im Interview.

Jens Wawrczeck und ich treffen uns am Vormittag des 8. September 2023 im Grindelviertel in Hamburg. Wir sprechen über die „Drei ???“, deren zweitem Detektiv Peter Shaw er seit 1979 seine Stimme leiht, darüber wie die Schauspielerei ihm dabei geholfen hat, seine Schüchternheit als Kind zu überwinden und die vielen unterschiedlichen Projekte, die er dies- und jenseits der Bretter, die die Welt bedeuten umsetzt. 2020 erschien zum Beispiel seine erste Gesangsplatte „Celluloid“, am 16. November folgt sein Buch „How to Hitchcock. Meine Reise durch das Hitchcock-Universum“ (dtv).

 

Tobias Lentzler: Lieber Jens, Du bist am 12. Juli 60 Jahre alt geworden. Aber eigentlich bist Du seit 1979 ja bloß ein paar Jahre älter geworden. Denn seit dieser Zeit sprichst Du Peter Shaw bei den „Drei ???“. Wie schaffst Du es, Deine Stimme so frisch und lebendig zu halten, dass man als Hörer das Gefühl hat, dass in diesen fast 45 Jahren gar nicht so viel Zeit vergangen ist?

 

Jens Wawrczeck: Ich bin sicher, wenn Du Dir eine frühe Folge im Vergleich zu einer der neuen Aufnahmen anhörst, bemerkst Du einen Unterschied. Alles andere ist genetisch ein Glücks- oder ein Unglücksfall. Je nachdem, wie man das betrachtet (lacht). Ich tue aktiv nichts dafür, esse keine Kreide oder so etwas. Das Wichtigste ist, in die jeweilige Situation einzusteigen. Wenn ich im Studio sitze und weiß, dass ich Peter Shaw spreche, habe ich ein anderes inneres Tempo, eine andere Temperatur als in der Rolle von Umberto Ecos Baudolino, in der ich ein ganzes Leben – von jung bis sehr alt – stimmlich abbilden musste.

 

Tobias Lentzler: Wie siehst Du Peter Shaw als Figur eigentlich? Immerhin ist er ja eine Rolle, der Du – wenn man es über die Jahre rechnet – sehr viel Zeit eingeräumt hast. 

 

Jens Wawrczeck: Biographisch ist Peter Shaw ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Denn wie Du ganz richtig sagst: Ich bin seit Jahrzehnten mit dieser Figur, Heikedine Körting, Oliver Rohrbeck (spricht Justus Jonas, Anmerkung TL) und Andreas Fröhlich (spricht Bob Andrews, Anmerkung TL) verbandet. Ich mag Peter Shaw. Ich finde ihn deshalb so sympathisch, weil er so wenig berechenbar ist. Er wird zwar häufig auf den Angsthasen reduziert, aber das ist bloß ein Teil seiner Persönlichkeit. Peter ist auch mutig. Und seine Emotionalität gefällt mir und macht ihn für mich als Sprecher sehr reizvoll.  Peter darf wütend werden, empathisch sein und hat Humor. Natürlich ist er auch mal ängstlich. Dass er so viele Farben hat, finde ich schön. Peter ist nicht „quadratisch, praktisch, gut“. – Es ist für unser Zusammenspiel ein großes Glück, dass die Autorinnen und Autoren der Serie die Dynamik zwischen Justus, Bob und Peter so gut kennen, dass unsere Dialoge entsprechend pointiert geschrieben werden. Dass, was wir persönlich in die Rollen einbringen, wird überschätzt. Es sind vor allem jene im Hintergrund, Heikedine Körting, André Minninger und die anderen im Team, die uns die Bühne bereiten.

 

Tobias Lentzler: Die „Drei ???“ sind mit über 50 Millionen verkauften Tonträgern und 150 Gold- bzw. Platin-Platten die erfolgreichste Hörspielserie der Welt. Sind es vor allem die von Dir erwähnten Leute im Hintergrund, die den Erfolg dieser Serie ausmachen? 

 

Jens Wawrczeck: Auf jeden Fall. Aber vielleicht ist es am Ende auch eine Kombination aus vielen Faktoren, von denen sich einige nie werden erklären lassen können. Wir hatten das Glück, dass die Serie Ende der 1970er-Jahre offenbar einen Nerv traf. Oliver, Andreas und ich mögen die ideale Besetzung gewesen sein, vor allem war aber Heikedine Körting die richtige Regisseurin und Produzentin für die „Drei ???“. Auch die Ästhetik der Serie, die markante Optik mit den Covern von Aiga Rasch hat den Erfolg der „Drei ???“ ausgemacht. Und die Figuren Justus, Peter und Bob waren allein daher ungewöhnlich, da sie sich – obwohl beste Freunde – nicht immer einig sind. Natürlich ziehen sie letztendlich immer am gleichen Strang und sind einander gegenüber loyal, aber ihre Unterschiedlichkeit sorgt für eine produktive Reibung, die die Serie seit Jahrzehnten lebendig hält. 

 

Tobias Lentzler: Eine letzte Frage zu den drei Detektiven. Gibt es für Dich einen Moment, an dem Du für Dich sagen würdest: „Jetzt höre ich auf mit den drei Fragezeichen“? Denn auch ihr werdet älter und spielt noch immer 16 bis 18-jährige Jungs. 

 

Jens Wawrczeck: Ich kann keine Prognose darüber abgeben, wie lange die Serie noch laufen wird. Das Wunderbare an Hörspielen, Musik, Literatur und Filmen ist, dass sie ewig leben. In dem Moment, wo wir uns eine „Drei ???“-Folge anhören, stehen Justus, Bob und Peter im Zimmer. Und was mich immer wieder freut, ist, dass die Begeisterung für die „Drei ???“ quasi vererbt wird. Eltern geben sie an ihre Kinder weiter; sogar Ehen haben wir gestiftet, Menschen zusammengeführt. Häufig hören wir auch: „Wir sind gestern mit euch eingeschlafen“. Das ist eine sehr intime Beziehung zwischen den „Drei ???“-Fans und ihren Sprechern (lacht). 

 

Tobias Lentzler: Du hast in Hamburg, Wien und New York Schauspiel studiert, u.a. am renommierten Lee Strasberg Institute. Woher kam Deine ursprüngliche Faszination für das Theater und dann auch der Wunsch, Schauspieler werden zu wollen?

 

Jens Wawrczeck: Ganz ähnlich wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen, war ich als Kind eher schüchtern. Trotzdem hatte ich das große Bedürfnis, mich auszudrücken. Schon mit sieben oder acht Jahren wollte ich entweder singen oder spielen. Denn sich im Schutze einer Rolle und eines Kostüms auf die Bühne zu stellen, ist sehr viel einfacher, als sich auf einer Party an einen Tisch zu setzen und zu sagen: „Hallo, ich bin Jens“. Das Bild eines Dampfkochtopfes passt eigentlich sehr gut: Hätte ich nicht ein Ventil für meinen Wunsch mich auszudrücken gefunden, wäre ich sehr unglücklich geworden oder in die Luft gegangen.

 

Tobias Lentzler: Das heißt, Alternativen hätte es für Dich nicht gegeben, oder? 

 

Jens Wawrczeck: Ich hatte kurzzeitig überlegt, was ich machen könnte, wenn es mit der Schauspielkarriere nicht klappen sollte. Ich hätte dann sicher studiert. Kurz hatte ich mich für Skandinavistik eingeschrieben, vielleicht sogar naheliegend, da ich in Dänemark geboren bin. Auch Philosophie oder Theologie hätten mich eventuell interessiert. Alles was zu konkret ist, macht mir Angst. 

 

Tobias Lentzler: Du hast im Laufe Deines Lebens viele bedeutende Rollen gespielt. Den Edgar in „König Lear“ in Bad Hersfeld unter der Regie von Volker Lechtenbrink, den Andreas Bleichenwang in „Was ihr wollt“ oder auch die Lady Bracknell in Oscar Wildes „Bunbury“. Welche dieser Rollen hat Dir besonders viel Freude gemacht? Und: Welche würdest Du gerne noch spielen?

 

Jens Wawrczeck: Lady Bracknell war für mich eine große Herausforderung. Denn eigentlich mag ich es nicht, wenn Männer Frauenrollen spielen. Gut, Jack Lemmon in “Some Like it Hot” ist genial. Aber es kippt für mich immer dann, wenn es zu einer albernen Travestie wird. Diese Rollen brauchen Ernsthaftigkeit und dürfen nicht ins Lächerliche gezogen werden. Als ich das Angebot bekam, die Lady Bracknell zu spielen, habe ich zunächst gezögert. Mit dem Regisseur Anatol Preissler war die Abmachung, dass ich die Lady so spiele, dass niemand merkt, dass ich ein Mann bin. Einige Zuschauer waren wirklich sehr überrascht. Rückblickend war das eine wirklich schöne Aufgabe. Denn Oscar Wildes Sprache – auch in der deutschen Übersetzung – ist großartig. Der Bogen für die humoristischen Pfeile, die man in so einer Rolle abschießen darf, muss sehr straff gespannt sein. Das macht das Ganze schauspielerisch reiz- und anspruchsvoll zugleich. Eine Rolle, die ich auch sehr gerne gespielt habe, war die des Erpressers in Ibsens „Nora“. Dass ich dafür eine wesentlich größere Rolle in einem anderen Stück ausgeschlagen habe, hat einige gewundert. Aber ich fand die Figur dieses Mannes, der sein Leben lang versucht auf einen grünen Zweig zu kommen, dem dann seine ganze, mühsam aufgebaute Existenz weggerissen werden soll und der aus der Not heraus zum Erpresser wird, ein großes Geschenk. – Du hast ja auch gefragt, welche Rolle ich in Zukunft gerne noch spielen würde. Mir ist bereits zwei Mal die Zaza in „La Cage aux Folles“ angeboten worden. Beide Male hatte ich dafür keine Zeit. Wenn man mir diese Rolle noch einmal antrüge, würde ich das auf jeden Fall machen. Und wo wir gerade bei Musicals sind: Bei „Der Mann von La Mancha“ wäre ich gern dabei. Egal, ob als Don Quijote oder Sancho Panza (lacht). Du siehst – es gibt eine ganze Menge an Rollen, die mich reizen würden. Es steht und fällt für mich aber immer mit dem Team. Es geht darum, gemeinsam etwas entstehen zu lassen, auf Entdeckungsreise zu gehen und das mit dem Publikum zu teilen. An einem Jahrmarkt der Eitelkeiten bin ich nicht interessiert.

 

Tobias Lentzler: So wie Du es gerade schilderst, merkt man, dass Du jemand bist, der die Bühne durch und durch liebt. Im Gegensatz zu Deinen langjährigen Wegbegleitern Oliver Rohrbeck und Andreas Fröhlich, die ihre jeweiligen Karrieren auf der Bühne bzw. vor der Kamera ja schon lange aufgegeben haben.

 

Jens Wawrczeck: Was mich am Theater reizt ist, dass man sich einer Rolle ganzkörperlich stellen muss. Das ist für mich ein sehr guter Ausgleich zur Tätigkeit als Sprecher. Ich habe das Gefühl, auf der Bühne auch meine Angst vor Zurückweisung und Ablehnung zu überwinden. Denn ich bin sehr gefährdet, Dinge aus Angst nicht zu tun. Da ich aber andererseits nicht von Ängsten beherrscht werden möchte, tut es mir gut, mich diesen Herausforderungen zu stellen.

 

Tobias Lentzler: Deine erste Rolle hast Du 1976 in Graham Greenes „Der verbindliche Liebhaber“ auf der Bühne der Hamburger Kammerspiele gespielt. Nun kehrst Du mit Deinen Alfred Hitchcock-Abenden „Hitch und Ich“ regelmäßig dorthin zurück. Was bedeutet Dir gerade diese Bühne?

 

Jens Wawrczeck: Die Hamburger Kammerspiele bedeuten mir viel. Sicher hat es damit zu tun, dass ich dort bereits als Kind gespielt habe. Das mag sentimental klingen, aber die Bühne und der Saal der Kammerspiele haben eine gute Atmosphäre. Für die Hitchcock-Abende ist der Raum ideal, er ist in seiner Größe perfekt. Und die Location hat etwas sehr Intimes, da sie mitten in einem Wohngebiet liegt, einer der schönsten Gegenden Hamburgs.

 

Tobias Lentzler: Mit „Der Fall Paradine“ und „Eine Dame verschwindet“ setzt Du die eben schon erwähnte, sehr erfolgreiche Reihe "Hitch und Ich" diese Spielzeit fort. Wie bist Du auf die Idee gekommen, Dich den literarischen Vorlagen der Hitchcock-Filme zu widmen?

 

Jens Wawrczeck: Es hat mich schon sehr früh interessiert, woher Hitchcock seine Inspirationen für Klassiker wie „Psycho“ oder „Die Vögel“ hatte. Ich fing an zu recherchieren, und fand heraus, dass 42 seiner rund 50 Filmen auf literarischen Vorlagen basieren. Auf Erzählungen, Romanen oder Theaterstücken. Oft hat er für seine Filmversionen die Vorlagen stark verändert, teilweise, weil ihm der Hollywood Production Code keine andere Wahl ließ. Mir vorzustellen, wie bei der Lektüre dieser Werke der Funke auf Hitchcock übergesprungen ist, gefällt mir. Zwei dieser literarischen Vorlagen – „Immer Ärger mit Harry“ und „Das Haus von Doktor Edwardes“, die Vorlage zu Hitchcocks „Spellbound (Ich kämpfe um Dich)“ – habe ich für meine Hörbuchreihe eigens übersetzen lassen, da es von ihnen bisher keine deutsche Übersetzung gab. Nächstes Jahr soll eine weitere Premiere in deutscher Sprache folgen: der Roman „Man Running“ von Selwyn Jepson. Hitchcock machte daraus „Die rote Lola (Stage Fright)“. All diese Texte zu sichten ist für mich ein endloses Faszinosum. Ich prüfe dann nicht nur ihre Bühnentauglichkeit, sondern auch, ob sie zu mir passen, ob ich der geeignete Interpret bin, um sie einzulesen und auf der Bühne darzustellen. Manche Bücher funktionieren in der Hörfassung, aber bedauerlicherweise nicht auf der Bühne. „Über den Dächern von Nizza“ war so ein Fall.  

 

Tobias Lentzler: Auf Deiner Website steht präsent als allererster Satz, dass Du begeistert warst, als Du eine Truhe aus Doris Days Nachlass ersteigern konntest. Mit „Celluloid“ hast Du 2020 ein ganzes Musikalbum mit Filmsongs eingesungen, die Dir etwas bedeuten. Und am 16. November erscheint nun auch Dein Buch „How to Hitchcock. Meine Reise durch das Hitchcock-Universum“ bei dtv. Woher kommt Deine Faszination für die Vergangenheit des Films? 

 

Jens Wawrczeck: Es gibt für mich nichts Schöneres als durch Filme, Literatur oder Musik in andere Welten abzutauchen. Die heile Welt, die zum Beispiel in den Doris Day Filmen aufgerufen wird, ist für mich wie „Heiße Milch mit Honig“ oder der Teller Hühnersuppe, der die Erkältung verjagt. Filmklassiker wie Billy Wilders „Some Like it Hot (Manche mögen‘s heiß)“ sind aus gutem Grund unsterblich. Der Film ist auch nach über fünfzig Jahren noch quicklebendig, da schwingt etwas mit, das ich am ehesten mit Wahrhaftigkeit umschreiben könnte. Und das obwohl die Geschichte ja alles andere als realistisch ist. Auch Hitchcocks Filme sind wahr, ohne naturalistisch zu sein. Sie bilden keine äußere Realität-, sie bilden eine innere Realität ab; und zwar die der Personen, die im Mittelpunkt des Films stehen und mit denen wir uns identifizieren.   

 

Tobias Lentzler: Es ist eine Binse, dass Filme von den Schauspielerinnen und Schauspielern leben, die darin auftauchen. Du selbst hast schon mit einer ganzen Reihe von Legenden auf der Bühne gestanden. Volker Lechtenbrink war in Bad Hersfeld Dein Regisseur, Du hast mit Gerda Gmelin gespielt und mit Charles Regnier vor dem Mikrofon gesessen. An wen erinnerst Du Dich besonders? Welche Begegnungen sind Dir im Kopf geblieben?

 

Jens Wawrczeck: Charles Regnier hat mich sehr beeindruckt; auch, wenn ich nur in einem einzigen Hörspiel sein Partner war. Er hatte eine ganz besondere Art zu sprechen und eine natürliche Autorität, man spürte einfach seinen Intellekt, seinen Humor, seine Klasse. Trotz seiner Diskretion und Bescheidenheit, ein Mann mit Grandezza. Sehr gerne habe ich mit Ralf Schermuly gespielt, ich war der Klosterbruder neben seinem weisen Nathan. In meiner Zeit am Ernst-Deutsch-Theater stand ich auch ein paar Mal mit Friedrich Schütter auf der Bühne. Und natürlich denke ich voller Bewunderung an Gisela Trowe, mit der ich häufig im Studio saß. Eine außergewöhnliche Schauspielerin mit einer Jahrhundertstimme und einem Blick, der – wenn er Dich traf und sie Dich wahrnahm – wie ein Ritterschlag wirkte. Am Lee Strasberg Institute in New York wurde ich von einigen großartigen Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Paul Newman war einer von ihnen. Doch vor allem sind mir vier Schauspielerinnen in Erinnerung, deren Kurse ich besuchen durfte. Shelley Winters, Julie Harris - die mit James Dean in „East of Eden (Jenseits von Eden)“ gespielt hat und eine großartige Theaterschauspielerin war, Maureen Stapleton und Sandy Dennis, die für „Who’s afraid of Virginia Woolf? (Wer hat Angst vor Virginia Woolf?)“ den Oscar als beste Nebendarstellerin gewann. Da jede dieser Damen ihren Unterricht sehr persönlich gestaltete, lief ich nie Gefahr, mich an eine bestimmte Art des Spiels zu gewöhnen und es mir damit bequem zu machen.  Ihre Persönlichkeiten waren einfach zu verschieden. Ständig gab es neue Konfrontationen, neue Auseinandersetzungen, alles sehr konstruktiv und inspirierend. In New York bekam ich viele schauspielerische Impulse und habe gelernt, flexibel zu bleiben. Das hat mir später geholfen, mich auf die unterschiedlichsten Regisseure und Regisseurinnen und Bedingungen einzustellen. 

 

Tobias Lentzler: Eine letzte Frage, lieber Jens: Auf Deiner Website ist zu lesen, dass Du noch eine ganze Reihe von Projekten in der Schublade hättest. Welche sind das? 

 

Jens Wawrczeck: Ich möchte sehr gerne ein weiteres Gesangsalbum veröffentlichen. In den letzten Jahrzehnten bin ich überdies von Kolleginnen und Kollegen immer wieder gefragt worden, ob ich nicht Lust hätte, einmal selbst zu inszenieren. Auch das könnte ich mir inzwischen vorstellen. Und da jetzt bald mein Buch „How to Hitchcock“ erscheint, mache ich mir auch Gedanken darüber, einen Hitchcock-Abend der ganz anderen Art auf die Bühne zu bringen. Mir schwebt ein Ritt durch das Hitchcock-Universum vor, der sich vom Singen von Songs aus den Hitchcock-Filmen über Filmausschnitte und gelesene Passagen erstrecken könnte. – Ansonsten schließe ich auch nicht aus, noch einmal für längere Zeit ins Ausland zu gehen und einen Filmführer zu schreiben, der über Hitchcock hinausgeht. 

 

Tobias Lentzler: Es klingt wirklich so, als hättest Du gerade erst begonnen...

 

Jens Wawrczeck: ...erwachsen zu werden (lacht). Manchmal fühlt es sich so an. Obwohl ich sehr früh angefangen habe, bin ich ein Spätentwickler. Es braucht bei mir sehr lang, bis ich etwas final durchdacht und ausgebrütet habe. Deshalb denke ich manchmal: Das Leben ist zu kurz, um all das unterzubringen, was ich vielleicht noch machen möchte. Denn unabhängig von all dem, was mich beruflich reizt, habe ich ja auch noch ein Privatleben, dass nicht zu kurz kommen sollte. Wobei sich meine Faszination für Filme, Literatur und Musik gar nicht so streng von meinem privaten Ich trennen lässt. Leider oder glücklicherweise.