Jens
Wawrczeck und ich treffen uns am Vormittag des 8. September 2023 im
Grindelviertel in Hamburg. Wir sprechen über die „Drei ???“, deren zweitem
Detektiv Peter Shaw er seit 1979 seine Stimme leiht, darüber wie die
Schauspielerei ihm dabei geholfen hat, seine Schüchternheit als Kind zu
überwinden und die vielen unterschiedlichen Projekte, die er dies- und jenseits
der Bretter, die die Welt bedeuten umsetzt. 2020 erschien zum Beispiel seine
erste Gesangsplatte „Celluloid“, am 16. November folgt sein Buch „How to
Hitchcock. Meine Reise durch das Hitchcock-Universum“ (dtv).
Tobias Lentzler: Lieber Jens, Du bist am 12. Juli 60
Jahre alt geworden. Aber eigentlich bist Du seit 1979 ja bloß ein paar Jahre
älter geworden. Denn seit dieser Zeit sprichst Du Peter Shaw bei den „Drei ???“.
Wie schaffst Du es, Deine Stimme so frisch und lebendig zu halten, dass man als
Hörer das Gefühl hat, dass in diesen fast 45 Jahren gar nicht so viel Zeit
vergangen ist?
Jens Wawrczeck: Ich bin sicher, wenn Du Dir eine frühe Folge im Vergleich
zu einer der neuen Aufnahmen anhörst, bemerkst Du einen Unterschied. Alles
andere ist genetisch ein Glücks- oder ein Unglücksfall. Je nachdem, wie man das
betrachtet (lacht). Ich tue aktiv nichts dafür, esse keine Kreide oder
so etwas. Das Wichtigste ist, in die jeweilige Situation einzusteigen. Wenn ich
im Studio sitze und weiß, dass ich Peter Shaw spreche, habe ich ein anderes
inneres Tempo, eine andere Temperatur als in der Rolle von Umberto Ecos
Baudolino, in der ich ein ganzes Leben – von jung bis sehr alt – stimmlich
abbilden musste.
Tobias Lentzler: Wie siehst Du Peter Shaw als Figur
eigentlich? Immerhin ist er ja eine Rolle, der Du – wenn man es über die Jahre
rechnet – sehr viel Zeit eingeräumt hast.
Jens Wawrczeck: Biographisch ist Peter Shaw ein ganz wichtiger Teil
meines Lebens. Denn wie Du ganz richtig sagst: Ich bin seit Jahrzehnten mit
dieser Figur, Heikedine Körting, Oliver Rohrbeck (spricht Justus Jonas,
Anmerkung TL) und Andreas Fröhlich (spricht Bob Andrews, Anmerkung TL)
verbandet. Ich mag Peter Shaw. Ich finde ihn deshalb so sympathisch, weil er so
wenig berechenbar ist. Er wird zwar häufig auf den Angsthasen reduziert, aber
das ist bloß ein Teil seiner Persönlichkeit. Peter ist auch mutig. Und seine
Emotionalität gefällt mir und macht ihn für mich als Sprecher sehr
reizvoll. Peter darf wütend werden,
empathisch sein und hat Humor. Natürlich ist er auch mal ängstlich. Dass er so
viele Farben hat, finde ich schön. Peter ist nicht „quadratisch, praktisch, gut“. – Es ist für unser Zusammenspiel ein großes Glück, dass die Autorinnen und
Autoren der Serie die Dynamik zwischen Justus, Bob und Peter so gut kennen,
dass unsere Dialoge entsprechend pointiert geschrieben werden. Dass, was wir
persönlich in die Rollen einbringen, wird überschätzt. Es sind vor allem jene
im Hintergrund, Heikedine Körting, André Minninger und die anderen im Team, die
uns die Bühne bereiten.
Tobias Lentzler: Die „Drei ???“ sind mit über 50
Millionen verkauften Tonträgern und 150 Gold- bzw. Platin-Platten die
erfolgreichste Hörspielserie der Welt. Sind es vor allem die von Dir erwähnten
Leute im Hintergrund, die den Erfolg dieser Serie ausmachen?
Jens Wawrczeck: Auf jeden Fall. Aber vielleicht ist es am Ende auch eine
Kombination aus vielen Faktoren, von denen sich einige nie werden erklären
lassen können. Wir hatten das Glück, dass die Serie Ende der 1970er-Jahre
offenbar einen Nerv traf. Oliver, Andreas und ich mögen die ideale Besetzung
gewesen sein, vor allem war aber Heikedine Körting die richtige Regisseurin und
Produzentin für die „Drei ???“. Auch die Ästhetik der Serie, die markante Optik
mit den Covern von Aiga Rasch hat den Erfolg der „Drei ???“ ausgemacht. Und die
Figuren Justus, Peter und Bob waren allein daher ungewöhnlich, da sie sich –
obwohl beste Freunde – nicht immer einig sind. Natürlich ziehen sie
letztendlich immer am gleichen Strang und sind einander gegenüber loyal, aber
ihre Unterschiedlichkeit sorgt für eine produktive Reibung, die die Serie seit
Jahrzehnten lebendig hält.
Tobias Lentzler: Eine letzte Frage zu den drei
Detektiven. Gibt es für Dich einen Moment, an dem Du für Dich sagen würdest: „Jetzt
höre ich auf mit den drei Fragezeichen“? Denn auch ihr werdet älter und spielt
noch immer 16 bis 18-jährige Jungs.
Jens Wawrczeck: Ich kann keine Prognose darüber abgeben, wie lange die
Serie noch laufen wird. Das Wunderbare an Hörspielen, Musik, Literatur und
Filmen ist, dass sie ewig leben. In dem Moment, wo wir uns eine „Drei
???“-Folge anhören, stehen Justus, Bob und Peter im Zimmer. Und was mich immer
wieder freut, ist, dass die Begeisterung für die „Drei ???“ quasi vererbt wird.
Eltern geben sie an ihre Kinder weiter; sogar Ehen haben wir gestiftet,
Menschen zusammengeführt. Häufig hören wir auch: „Wir sind gestern mit euch
eingeschlafen“. Das ist eine sehr intime Beziehung zwischen den „Drei ???“-Fans
und ihren Sprechern (lacht).
Tobias Lentzler: Du hast in Hamburg, Wien und New York
Schauspiel studiert, u.a. am renommierten Lee Strasberg Institute. Woher kam
Deine ursprüngliche Faszination für das Theater und dann auch der Wunsch,
Schauspieler werden zu wollen?
Jens Wawrczeck: Ganz ähnlich wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen,
war ich als Kind eher schüchtern. Trotzdem hatte ich das große Bedürfnis, mich
auszudrücken. Schon mit sieben oder acht Jahren wollte ich entweder singen oder
spielen. Denn sich im Schutze einer Rolle und eines Kostüms auf die Bühne zu
stellen, ist sehr viel einfacher, als sich auf einer Party an einen Tisch zu
setzen und zu sagen: „Hallo, ich bin Jens“. Das Bild eines Dampfkochtopfes
passt eigentlich sehr gut: Hätte ich nicht ein Ventil für meinen Wunsch mich
auszudrücken gefunden, wäre ich sehr unglücklich geworden oder in die Luft
gegangen.
Tobias Lentzler: Das heißt, Alternativen hätte es für
Dich nicht gegeben, oder?
Jens Wawrczeck: Ich hatte kurzzeitig überlegt, was ich machen könnte,
wenn es mit der Schauspielkarriere nicht klappen sollte. Ich hätte dann sicher
studiert. Kurz hatte ich mich für Skandinavistik eingeschrieben, vielleicht
sogar naheliegend, da ich in Dänemark geboren bin. Auch Philosophie oder
Theologie hätten mich eventuell interessiert. Alles was zu konkret ist, macht
mir Angst.
Tobias Lentzler: Du hast im Laufe Deines Lebens viele
bedeutende Rollen gespielt. Den Edgar in „König Lear“ in Bad Hersfeld unter der
Regie von Volker Lechtenbrink, den Andreas Bleichenwang in „Was ihr wollt“ oder
auch die Lady Bracknell in Oscar Wildes „Bunbury“. Welche dieser Rollen hat Dir
besonders viel Freude gemacht? Und: Welche würdest Du gerne noch spielen?
Jens Wawrczeck: Lady Bracknell war für mich eine große Herausforderung.
Denn eigentlich mag ich es nicht, wenn Männer Frauenrollen spielen. Gut, Jack Lemmon in “Some Like it Hot” ist genial. Aber es kippt für mich immer dann,
wenn es zu einer albernen Travestie wird. Diese Rollen brauchen Ernsthaftigkeit
und dürfen nicht ins Lächerliche gezogen werden. Als ich das Angebot bekam, die
Lady Bracknell zu spielen, habe ich zunächst gezögert. Mit dem Regisseur Anatol
Preissler war die Abmachung, dass ich die Lady so spiele, dass niemand merkt,
dass ich ein Mann bin. Einige Zuschauer waren wirklich sehr überrascht.
Rückblickend war das eine wirklich schöne Aufgabe. Denn Oscar Wildes Sprache –
auch in der deutschen Übersetzung – ist großartig. Der Bogen für die
humoristischen Pfeile, die man in so einer Rolle abschießen darf, muss sehr
straff gespannt sein. Das macht das Ganze schauspielerisch reiz- und
anspruchsvoll zugleich. Eine Rolle, die ich auch sehr gerne gespielt habe, war
die des Erpressers in Ibsens „Nora“. Dass ich dafür eine wesentlich größere
Rolle in einem anderen Stück ausgeschlagen habe, hat einige gewundert. Aber ich
fand die Figur dieses Mannes, der sein Leben lang versucht auf einen grünen
Zweig zu kommen, dem dann seine ganze, mühsam aufgebaute Existenz weggerissen
werden soll und der aus der Not heraus zum Erpresser wird, ein großes Geschenk.
– Du hast ja auch gefragt, welche Rolle ich in Zukunft gerne noch spielen
würde. Mir ist bereits zwei Mal die Zaza in „La Cage aux Folles“ angeboten
worden. Beide Male hatte ich dafür keine Zeit. Wenn man mir diese Rolle noch
einmal antrüge, würde ich das auf jeden Fall machen. Und wo wir gerade bei
Musicals sind: Bei „Der Mann von La Mancha“ wäre ich gern dabei. Egal, ob als
Don Quijote oder Sancho Panza (lacht). Du siehst – es gibt eine ganze
Menge an Rollen, die mich reizen würden. Es steht und fällt für mich aber immer
mit dem Team. Es geht darum, gemeinsam etwas entstehen zu lassen, auf
Entdeckungsreise zu gehen und das mit dem Publikum zu teilen. An einem
Jahrmarkt der Eitelkeiten bin ich nicht interessiert.
Tobias Lentzler: So wie Du es gerade schilderst, merkt
man, dass Du jemand bist, der die Bühne durch und durch liebt. Im Gegensatz zu
Deinen langjährigen Wegbegleitern Oliver Rohrbeck und Andreas Fröhlich, die
ihre jeweiligen Karrieren auf der Bühne bzw. vor der Kamera ja schon lange
aufgegeben haben.
Jens Wawrczeck: Was mich am Theater reizt ist, dass man sich einer Rolle
ganzkörperlich stellen muss. Das ist für mich ein sehr guter Ausgleich zur
Tätigkeit als Sprecher. Ich habe das Gefühl, auf der Bühne auch meine Angst vor
Zurückweisung und Ablehnung zu überwinden. Denn ich bin sehr gefährdet, Dinge
aus Angst nicht zu tun. Da ich aber andererseits nicht von Ängsten beherrscht
werden möchte, tut es mir gut, mich diesen Herausforderungen zu stellen.
Tobias Lentzler: Deine erste Rolle hast Du 1976 in Graham
Greenes „Der verbindliche Liebhaber“ auf der Bühne der Hamburger Kammerspiele
gespielt. Nun kehrst Du mit Deinen Alfred Hitchcock-Abenden „Hitch und Ich“
regelmäßig dorthin zurück. Was bedeutet Dir gerade diese Bühne?
Jens Wawrczeck: Die Hamburger Kammerspiele bedeuten mir viel. Sicher hat
es damit zu tun, dass ich dort bereits als Kind gespielt habe. Das mag
sentimental klingen, aber die Bühne und der Saal der Kammerspiele haben eine
gute Atmosphäre. Für die Hitchcock-Abende ist der Raum ideal, er ist in seiner
Größe perfekt. Und die Location hat etwas sehr Intimes, da sie mitten in einem
Wohngebiet liegt, einer der schönsten Gegenden Hamburgs.
Tobias Lentzler: Mit „Der Fall Paradine“ und „Eine Dame
verschwindet“ setzt Du die eben schon erwähnte, sehr erfolgreiche Reihe
"Hitch und Ich" diese Spielzeit fort. Wie bist Du auf die Idee
gekommen, Dich den literarischen Vorlagen der Hitchcock-Filme zu widmen?
Jens Wawrczeck: Es hat mich schon sehr früh interessiert, woher Hitchcock
seine Inspirationen für Klassiker wie „Psycho“ oder „Die Vögel“ hatte. Ich fing
an zu recherchieren, und fand heraus, dass 42 seiner rund 50 Filmen auf
literarischen Vorlagen basieren. Auf Erzählungen, Romanen oder Theaterstücken.
Oft hat er für seine Filmversionen die Vorlagen stark verändert, teilweise,
weil ihm der Hollywood Production Code keine andere Wahl ließ. Mir
vorzustellen, wie bei der Lektüre dieser Werke der Funke auf Hitchcock
übergesprungen ist, gefällt mir. Zwei dieser literarischen Vorlagen – „Immer
Ärger mit Harry“ und „Das Haus von Doktor Edwardes“, die Vorlage zu Hitchcocks
„Spellbound (Ich kämpfe um Dich)“ – habe ich für meine Hörbuchreihe eigens
übersetzen lassen, da es von ihnen bisher keine deutsche Übersetzung gab.
Nächstes Jahr soll eine weitere Premiere in deutscher Sprache folgen: der Roman
„Man Running“ von Selwyn Jepson. Hitchcock machte daraus „Die rote Lola (Stage
Fright)“. All diese Texte zu sichten ist für mich ein endloses Faszinosum. Ich
prüfe dann nicht nur ihre Bühnentauglichkeit, sondern auch, ob sie zu mir
passen, ob ich der geeignete Interpret bin, um sie einzulesen und auf der Bühne
darzustellen. Manche Bücher funktionieren in der Hörfassung, aber
bedauerlicherweise nicht auf der Bühne. „Über den Dächern von Nizza“ war so ein
Fall.
Tobias Lentzler: Auf Deiner Website steht präsent als
allererster Satz, dass Du begeistert warst, als Du eine Truhe aus Doris Days
Nachlass ersteigern konntest. Mit „Celluloid“ hast Du 2020 ein ganzes
Musikalbum mit Filmsongs eingesungen, die Dir etwas bedeuten. Und am 16.
November erscheint nun auch Dein Buch „How to Hitchcock. Meine Reise durch das
Hitchcock-Universum“ bei dtv. Woher kommt Deine Faszination für die
Vergangenheit des Films?
Jens Wawrczeck: Es gibt für mich nichts Schöneres als durch Filme,
Literatur oder Musik in andere Welten abzutauchen. Die heile Welt, die zum
Beispiel in den Doris Day Filmen aufgerufen wird, ist für mich wie „Heiße Milch
mit Honig“ oder der Teller Hühnersuppe, der die Erkältung verjagt.
Filmklassiker wie Billy Wilders „Some Like it Hot (Manche mögen‘s heiß)“ sind
aus gutem Grund unsterblich. Der Film ist auch nach über fünfzig Jahren noch
quicklebendig, da schwingt etwas mit, das ich am ehesten mit Wahrhaftigkeit
umschreiben könnte. Und das obwohl die Geschichte ja alles andere als
realistisch ist. Auch Hitchcocks Filme sind wahr, ohne naturalistisch zu sein.
Sie bilden keine äußere Realität-, sie bilden eine innere Realität ab;
und zwar die der Personen, die im Mittelpunkt des Films stehen und mit denen
wir uns identifizieren.
Tobias Lentzler: Es ist eine Binse, dass Filme von den
Schauspielerinnen und Schauspielern leben, die darin auftauchen. Du selbst hast
schon mit einer ganzen Reihe von Legenden auf der Bühne gestanden. Volker
Lechtenbrink war in Bad Hersfeld Dein Regisseur, Du hast mit Gerda Gmelin
gespielt und mit Charles Regnier vor dem Mikrofon gesessen. An wen erinnerst Du
Dich besonders? Welche Begegnungen sind Dir im Kopf geblieben?
Jens Wawrczeck: Charles Regnier hat mich sehr beeindruckt; auch, wenn ich
nur in einem einzigen Hörspiel sein Partner war. Er hatte eine ganz besondere
Art zu sprechen und eine natürliche Autorität, man spürte einfach seinen
Intellekt, seinen Humor, seine Klasse. Trotz seiner Diskretion und
Bescheidenheit, ein Mann mit Grandezza. Sehr gerne habe ich mit Ralf Schermuly
gespielt, ich war der Klosterbruder neben seinem weisen Nathan. In meiner Zeit
am Ernst-Deutsch-Theater stand ich auch ein paar Mal mit Friedrich Schütter auf
der Bühne. Und natürlich denke ich voller Bewunderung an Gisela Trowe, mit der
ich häufig im Studio saß. Eine außergewöhnliche Schauspielerin mit einer
Jahrhundertstimme und einem Blick, der – wenn er Dich traf und sie Dich
wahrnahm – wie ein Ritterschlag wirkte. Am Lee Strasberg Institute in New York
wurde ich von einigen großartigen Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Paul
Newman war einer von ihnen. Doch vor allem sind mir vier Schauspielerinnen in
Erinnerung, deren Kurse ich besuchen durfte. Shelley Winters, Julie Harris -
die mit James Dean in „East of Eden (Jenseits von Eden)“ gespielt hat und eine
großartige Theaterschauspielerin war, Maureen Stapleton und Sandy Dennis, die
für „Who’s afraid of Virginia Woolf? (Wer hat Angst vor Virginia Woolf?)“ den
Oscar als beste Nebendarstellerin gewann. Da jede dieser Damen ihren Unterricht
sehr persönlich gestaltete, lief ich nie Gefahr, mich an eine bestimmte Art des
Spiels zu gewöhnen und es mir damit bequem zu machen. Ihre Persönlichkeiten waren einfach zu
verschieden. Ständig gab es neue Konfrontationen, neue Auseinandersetzungen,
alles sehr konstruktiv und inspirierend. In New York bekam ich viele
schauspielerische Impulse und habe gelernt, flexibel zu bleiben. Das hat mir
später geholfen, mich auf die unterschiedlichsten Regisseure und Regisseurinnen
und Bedingungen einzustellen.
Tobias Lentzler: Eine letzte Frage, lieber Jens: Auf
Deiner Website ist zu lesen, dass Du noch eine ganze Reihe von Projekten in der
Schublade hättest. Welche sind das?
Jens Wawrczeck: Ich möchte sehr gerne ein weiteres Gesangsalbum
veröffentlichen. In den letzten Jahrzehnten bin ich überdies von Kolleginnen
und Kollegen immer wieder gefragt worden, ob ich nicht Lust hätte, einmal
selbst zu inszenieren. Auch das könnte ich mir inzwischen vorstellen. Und da
jetzt bald mein Buch „How to Hitchcock“ erscheint, mache ich mir auch Gedanken
darüber, einen Hitchcock-Abend der ganz anderen Art auf die Bühne zu bringen.
Mir schwebt ein Ritt durch das Hitchcock-Universum vor, der sich vom Singen von
Songs aus den Hitchcock-Filmen über Filmausschnitte und gelesene Passagen
erstrecken könnte. – Ansonsten schließe ich auch nicht aus, noch einmal für
längere Zeit ins Ausland zu gehen und einen Filmführer zu schreiben, der über
Hitchcock hinausgeht.
Tobias Lentzler: Es klingt wirklich so, als hättest Du
gerade erst begonnen...
Jens Wawrczeck: ...erwachsen zu werden (lacht). Manchmal fühlt es
sich so an. Obwohl ich sehr früh angefangen habe, bin ich ein Spätentwickler.
Es braucht bei mir sehr lang, bis ich etwas final durchdacht und ausgebrütet
habe. Deshalb denke ich manchmal: Das Leben ist zu kurz, um all das unterzubringen,
was ich vielleicht noch machen möchte. Denn unabhängig von all dem, was mich
beruflich reizt, habe ich ja auch noch ein Privatleben, dass nicht zu kurz
kommen sollte. Wobei sich meine Faszination für Filme, Literatur und Musik gar
nicht so streng von meinem privaten Ich trennen lässt. Leider oder
glücklicherweise.