18 Dezember 2012

Mitteilsamkeit macht uns angreifbar. – Ein Kommentar.

Das deutsche Datenschutzgesetz gilt als eines der striktesten der Welt. Die Achtlosigkeit, in der wir unsere persönlichen Daten ins Internet stellen, droht dieses auszuhöhlen. Ein Kommentar.


Warum verurteilen wir sexuellen Missbrauch und zucken mit den Schultern, wenn unsere Daten missbraucht werden? Beinahe die Hälfte aller Westdeutschen lehnte vor 25 Jahren eine geplante Volkszählung ab, die Daten wie die Konfession oder die Einkommensverhältnisse abfragen sollte. Heute stellen wir viele solcher Informationen ganz freiwillig ins Netz. Wir haben verlernt zwischen sensiblen und unwichtigen Daten zu unterscheiden. Vor allem unser Verhalten in sozialen Netzwerken trägt dazu bei. Hier kombinieren wir etwas so Sensibles wie die politische Gesinnung mit banalen Statusanzeigen wie „Schönes Wetter heute“. Unsere Mitteilsamkeit im Internet macht uns angreifbar. Im Vergleich zu 2010 wurden 2011 zwanzig Prozent mehr Straftaten im Internet verübt. Seiten, die zum Beispiel unsere Kreditkartennummer verlangen, überfliegen wir bloß noch. Nie überprüfen wir den Betreiber. – Wir laden Hacker und Großkonzerne durch unsere Gutgläubigkeit geradezu ein, unsere Daten zu schänden. Aus Angst, dass der Staat unsere Daten missbrauchen könnte, erstritten sich Bürger 1983 das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“; ein Meilenstein für unser heutiges Datenschutzgesetz, welches als eines der striktesten der Welt gilt. Datenschutz ist ein Grundrecht, das in einer Welt, die sich ein Pendant im Internet geschaffen hat, immer kostbarer wird. – Da ein Großteil unseres Lebens inzwischen untrennbar mit dem Netz verbunden ist – durch Online-Shopping, beispielsweise – sollten wir unser vielleicht wichtigstes Grundrecht achten. Nietzsche irrte, als er sagte: „Viel von sich reden kann auch ein Mittel sein, sich zu verbergen“. Je kopfloser wir uns im Netz bewegen, desto größer wird die Gefahr, dass unsere Daten missbraucht werden. Bürger vor 25 Jahren ahnten das. Wir sind weit davon entfernt.

07 Dezember 2012

Der falsche Moment, um zu gehen. – Ein Nachruf auf die "Financial Times Deutschland".

Am 7. Dezember 2012 erscheint unter dem Titel "Endlich schwarz" die letzte Ausgabe der "Financial Times Deutschland". In einer Welt, die von einer Wirtschaftskrise in die nächste schlittert, wird die FTD Deutschland fehlen.


Die Redaktion der FTD  "entschuldigt" sich für ihr jahrelanges und wichtiges Wirken
(Screenshot der FTD-Webseite am 07.12.2012 um 14:37 Uhr)
Die letzte Ausgabe der "Financial Times Deutschland" ist mit "Endlich schwarz" überschrieben. Das ist ein bissiger Verweis darauf, dass die FTD seit ihrer Gründung kein einziges Mal schwarze Zahlen geschrieben hat und bis zu ihrem Aus dem Verlag Gruner+Jahr einen Verlust von über 250 Millionen Euro einbrachte. - Als die FTD vor zwölf Jahren auf den Markt ging, begannen sich in der Medienbranche langsam Umbrüche abzuzeichnen. Das Internet wurde von Jahr zu Jahr eine wichtigere Informationsquelle, nach und nach zog es immer mehr Printzeitungen ins Netz. Doch kaum ein Blattmacher konnte den rasanten Aufstieg des Internets als Informationsmedium und neues Medium für Nachrichten, Reportagen, Kommentare oder Essays vorhersagen oder vorhersehen. Vielleicht verschlossen einige auch ihre Augen davor. - Doch nicht alleine daher schrieb die FTD niemals schwarze Zahlen. Mit ihrer wirtschaftlich-politischen Ausrichtung wollte sie eine Marktlücke erobern und blieb doch immer nur eine Randerscheinung. In großen Unternehmen und von Interessierten wurde sie gelesen - mal mit Skepsis und Angst auf Unternehmerseite, dann wiederum mit Begeisterung und Begierde von Interessierten. Die FTD enthüllte über die Jahre viele geheime Machenschaften großer Wirtschaftsunternehmen - z.B. dass ehemalige Stasi-Spitzel für die Deutsche Telekom spionierten oder wie es wirklich um die Hypo Real Estate stand. Doch all diese journalistischen Glanzstücke halfen nicht. Viele junge Journalisten, oftmals Absolventen der Henri-Nannen-Schule, begannen ihre Karrieren bei der FTD, sie formten das Blatt mit und gaben ihm einen qualitätsjournalistischen Anstrich. Es ist zu vermuten, dass große Unternehmen aufgrund der Angst vor Enthüllungen in ihren eigenen Häusern weniger Anzeigen in der FTD als anderswo schalteten. Zusätzlich brach der Anzeigenmarkt in den Printmedien immer weiter ein. Am 07.Dezember 2012 endet also eine Ära. Eine wichtige deutsche Tageszeitung verschwindet aus den Kiosken, aus dem Internet, irgendwann vielleicht aus den Köpfen. Viele Journalisten verlieren ihre Arbeit und müssen auf dem ohnehin hart umkämpften Medienmarkt ihre Ellbogen einsetzen. Es ist ihnen allen zu wünschen, dass sie sich behaupten können. - Dem deutschen Zeitungsmarkt ist zu wünschen, dass er möglichst bald wichtige Aufgaben und Tugenden der FTD annimmt und ausgleicht. In einer Welt, die in eine Wirtschaftskrise nach der anderen Schlittert und das Vertrauen in Politiker erschütterter ist denn je, braucht es eine starke journalistische Stimme, die sich mit Wirtschaft und Politik auskennt, auseinandersetzt und ein Stimmgewicht hat. Es ist der falsche Moment, um eine Zeitung für Wirtschaft und Politik aus wirtschaftlichen Gründen gehen zu lassen, liebe Verantwortliche von Gruner+Jahr. 
Die FTD wird Deutschland fehlen! So wie sich die Redaktion vor uns verneigte, verneige ich mich vor allen Mitarbeitern der FTD und wünsche ihnen alles Gute!