14 März 2019

Essay: Wie die Schülerstreiks für den Klimaschutz der Demokratie helfen

Wie jüngst bekannt wurde, ist die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg, die seit Mitte 2018 jeden Freitag für das Klima streikt, für den Friedensnobelpreis nominiert worden. Diese ist nur eine von vielen Nachrichten, die weltweit rezipiert werden. Der eigentliche Zweck ihrer Protestaktion, der Schutz des Klimas, droht in den Hintergrund zu geraten - auch und gerade wegen der teils doch sehr rückständig ausgetragenen Diskussion darüber, ob Schüler den Unterricht schwänzen dürfen oder nicht. Dies ist der Versuch der abgeschmackten Debatte ein produktives Leitbild entgegenzustellen.

Vielleicht ist Greta Thunberg derzeit der berühmteste Teenager der Welt. Weltweit füllen Nachrichten über sie Zeitungen, Nachrichtenportale und Twitter-Feeds wichtiger Politikerinnen und Politiker. 
Seit Mitte 2018 streikt sie jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament in Stockholm; und mit ihr streiken mittlerweile viele Tausend Schülerinnen und Schüler (und auch Studierende) auf der ganzen Welt. Die so genannten "Fridays for Future", die von Thunberg inspiriert sind und das Ziel haben Politiker zum Handeln in Sachen Klimaschutz zu bewegen, ziehen mittlerweile allein in Deutschland etwa 300 Regionalgruppen an. 

Das Engagement von Thunberg und der von ihr Inspirierten ist bemerkenswert - egal, ob man es gutheißt oder verurteilt. 
Jedoch scheint es als liefen die öffentlichen Diskussionen an der eigentlichen Thematik vorbei. Diskussionen darüber wie Politiker konkrete Gesetze verabschieden könnten, die dem Klimaschutz förderlich wären, finden selten statt. Es dominiert die Frage darüber, ob Schüler für das Klima streiken- oder in die Schule gehen sollten. 
Dieses Essay will in drei Punkten versuchen aufzuzeigen wie Politikerinnen und Politiker die Signale, die Schülerinnen und Schüler durch ihre regelmäßigen Ausstände senden, produktiv nutzen könnten. 

(1) Schüler und Studierende haben eine eigene Stimme - nehmen wir diese ernst!

Keiner anderen Konvention sind mehr Staaten beigetreten als der UN-Kinderrechtskonvention. Artikel 13 hält fest: "Das Kind hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ungeachtet der Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder (...) durch (...) andere vom Kind gewählte Mittel sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben". 
Vielen scheint es jedoch schwer zu fallen dieses Recht nicht nur de jure zu garantieren, sondern auch de facto ernst zu nehmen. Anders lässt sich nicht erklären wie Diskussionen darüber, ob es Schülern  (trotz geltender Schulpflicht) erlaubt sein sollte ihre Stimme zu erheben und ihre Meinung durch Ausstände zu äußern. 
Die Stimmen der Schülerinnen und Schüler wirklich ernst zu nehmen begönne damit Gesprächsangebote zu machen - und zwar nicht nur einmal. Jeden Freitag! Lokal-, Landes-, und Bundespolitiker, Unternehmerinnen und Wissenschaftler sollten sich den drängenden Fragen der Schüler stellen. Die Formate müssten hierbei angemessen sein.

Die Stimmen der Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen heißt übrigens auch nicht um jeden Preis zu versuchen sich mit ihnen gemein zu machen. Lebendige Diskussionen leben von ernstzunehmenden Widersprüchen. Trauen wir Kindern und Heranwachsenden zu diese auszuhalten.

(2)  Schülerstreiks sind gut für die Demokratie

Ein Gutteil der politischen Berichterstattung der letzten Jahre befasste sich mit dem Aufkommen populistischer Politiker oder Parteien. Oft wurde über ein Erstarken der Ränder und das "Schweigen der Mitte" geklagt. 
Die Ausstände der Schülerinnen und Schüler sind ein gutes Zeichen. Sie stehen prinzipiell jeder Schulform offen, sind nicht sehr voraussetzungsreich und erschaffen ein Gefühl von Solidarität. Im besten Fall entwickelt sich daraus ein dauerhaftes politisches und/oder soziales Engagement. 

Wenn Politikerinnen und Politiker ernste Gesprächsangebote machen kann neues Vertrauen in die Repräsentanten des Staates und seine Institutionen entstehen. 

(3) Streiks können den Blickwinkel verändern

Sich der Schulpflicht zu entziehen, indem man einmal in der Woche nicht dorthin geht, sondern streikt, ist eine Provokation. Und das ist gut so! Nur durch diese Form des Protests können Politikerinnen und Politiker gewohnte (vielleicht auch überkommene) Blickwinkel verändern und neue Perspektiven auf ein Thema gewinnen. Sie erfahren nicht nur, dass Kinder sich um ihre Zukunft sorgen, sondern können zum Beispiel auch über Fragen der Bildungspolitik (ein seit vielen Jahren sträflich vernachlässigtes Politikfeld) diskutieren. Einige wichtige Fragen könnten hierbei sein: Wie wollen Schüler lernen?, Was ist ihnen wichtig? und: Wie können wir sie auch auf dieser Ebene mit in den Prozess des Gesetzemachens einbinden?  

Diese drei Punkte ließen sich mit Sicherheit beliebig erweitern. Jedoch war dies ein erster Versuch den Umstand der andauernden Ausstände und der doch recht pomadigen, ja abgeschmackten Diskussionen über ihre Sinnhaftigkeit ein produktives Leitbild gegenüberzustellen.  Im Übrigen gelten diese drei Punkte nicht nur für Politiker; sie gelten für uns alle.

Die Schülerstreiks sind eine politische Willensäußerung - nehmen wir sie also als eine solche ernst!