Bernd Begemann ist ein
freundlicher, stattlicher und großer Mann mit einer tiefen, männlichen,
wirksamen und dennoch zurückhaltenden- und teils Silben verschlingenden Stimme.
Er ist eine Erscheinung. Er trägt bei seinen Konzerten Anzüge in beige und
hellrosafarbene Hemden. Ein Musiker, der in seiner Musik lebt. In den Charts
gibt es solche Typen wie ihn nicht. Jeder hat sich dort schon einmal für den
Erfolg verbogen. - Ich habe Bernd Begemann letztes Jahr im Juli zufällig
entdeckt; sein Song "Weil wir weg sind" erschien gerade auf einer CD
des "Musikexpress". Er war eine Auskopplung des Albums „Wilde
Brombeeren“ von „Bernd Begemann & Die Befreiung“. Ich war sofort
beeindruckt: Einen deutschen Musiker mit derartigem Groove und so
"undeutschen" Texten, hatte ich nie zuvor gehört. Begemann schreibt
Songs, die es schaffen das "Typisch Deutsche" verschwinden zu lassen;
die Melancholie, die verquarzte Art über Liebe und Sex zu sprechen, die
düsteren Gedanken zum Ende einer Beziehung, die Heimatlosigkeit.
Bernd Begemann macht
sich darüber lustig. Mit Texten, die auf den ersten Blick simpel und erst auf
den zweiten Blick unglaublich hart erarbeitet und poetisch und beeindruckend
klingen. Sie haben Kraft, transportieren eine Botschaft, sind humorvoll,
lebendig, heiter - auch wenn es um die Unerreichbarkeit einer Verehrten, die
Unrast in einer schnellen Welt oder das Thema "Heimat" geht. Während
der deutsche Künstler Stefan Strumbel fragt: "What the fuck is Heimat?"
und diese Sprüche auf Kuckucksuhren druckt, singt Begemann über seine
Erfahrungen und Berührpunkte mit dem Gefühl, dem Begriff Heimat. Er singt über
bereiste Städte, Kleine und Große, in denen die Menschen wohnen, die Heimat so
definieren wie er sie besingt. Er ist nicht nur ein Beobachter, wenn er Texte
und Melodien schreibt; vor allem ist er selbst die Person, die Erfahrungen
macht.
Seit über zwanzig Jahren
reist Bernd Begemann mit seinem Auto durch Deutschland, spielt in den kleinsten
Städten und auf den winzigsten Bühnen vor manchmal zwanzig zahlenden
Zuschauern. Er lebt für seine Musik. „Ein Musiker sollte Musik machen“, sagt er
Anfang 2012 in einem Interview mit „kulturlog“. Begemann ist nicht an Geld oder
Erfolg oder Ruhm interessiert. Ihn interessieren Menschen, Stimmungen, Gefühle.
Er liebt Bücher und Filme, kennt sich in verschiedensten Musikszenen von den
Charts bis in die speziellsten Ecken blind aus und schafft es seinen
Gesprächspartner zu fesseln, zu begeistern. Begemann war der Erfinder des
deutschen Folk mit Elektronik-Elementen und ein Pionier der
Singer/Songwriter-Kultur. Heute macht das jeder. Vor zwanzig Jahren musste sich
Begemann dafür entschuldigen, dass er Deutsch sang. Von dem Genre ganz zu
schweigen. Er ist seiner Zeit voraus. Weit voraus. Immer auf der Suche nach
neuen Songs, die hinter die Fassade von Menschen, Deutschland und sich selbst
blicken. Begemann ist ein Erfinder, ein Bewahrer, ein Schwergewicht der
deutschen Indie-Szene. Schade eigentlich, dass viele ihn nicht kennen. Seine
Konzerte sind ein Erlebnis. Begemann gibt den Eigenwilligen, den
Unverstandenen, den Meister, den Erfinder. Er entblättert seine
Charaktereigenschaften auf der Bühne so wie er sein Hemd weit und weiter
aufknöpft – und das Publikum lacht. Es bemerkt nicht, dass Begemann die
Wahrheit sagt. Er ist ein Meister, er ist ein Unverstandener. Und er ist erst
recht ein Erfinder. –
„In Zukunft wird es
unglaublich viel Musik geben“, prophezeit Bernd Begemann und sagt: „Ich mache
mir keine Gedanken über meinen Platz in der Geschichte.“ Das muss er auch
nicht, denn den hat er schon längst. Wenn auch nur bei den Wenigen, die ihn
verstanden haben.