Digitalisierung - es ist das
Schlagwort der Stunde. Auch und gerade, wenn es um unser Schulsystem geht. Aber
wie genau sollten Schulen auf sie reagieren? Es wird jedenfalls kaum genügen
mehr Whiteboards oder Computer anzuschaffen. Es braucht einen Wandel des
Lernens. Der erste Schritt dahin wäre es, die starren Lehrpläne
abzuschaffen.
Als der Filmemacher Werner
Herzog vor zwei Jahren auszog, um in der Dokumentation „Wovon träumt das
Internet?“ aus einer neuen Welt zu berichten, traf er auf buddhistische Mönche,
die nicht meditierten, sondern twitterten, Menschen, die vor Handystrahlen in
die Wildnis flohen und Computerexperten, die an Fußball-Robotern arbeiteten,
die dereinst Nationalmannschaften schlagen können sollten. All diese Beispiele
waren Ausdruck einer Welt im Übergang vom Analogen ins Digitale. Diese Welt der
zwei Geschwindigkeiten ist mittlerweile allerorten mit Händen zu greifen. Es
gibt kaum noch einen Lebensbereich, der nicht von diesem Wandel betroffen ist.
Das so allgegenwärtige Schlagwort „Digitalisierung“ ist aus keiner Debatte mehr
wegzudenken. Auch und gerade dann nicht, wenn es um das zukünftige
Rollenverständnis von Schulen oder das Schulsystem im Allgemeinen geht.
Klar ist, dass die derzeit
föderal erstellten Lehrpläne nicht mehr zeitgemäß sind. Sie sind starr und
gehören in ihrer jetzigen Form abgeschafft. Um den tiefgreifenden Veränderungen
unserer Zeit Rechnung zu tragen, müssen Schulsysteme den Spagat zwischen alter
und neuer Welt meistern. Allein mit mehr Whiteboards, Smartphones in
Klassenzimmern oder digitalen Klassenbüchern wird dies nicht gelingen. Vielmehr
braucht es eine grundlegend neue Herangehensweise an die Vermittlung von
Wissen. Moderne Lehrpläne sollten auf zwei Säulen ruhen. Die erste trägt der
analogen Welt Rechnung. Ziel hierbei sollte es sein den Unterricht auf einem
Bildungskanon aufzubauen, der Schülern hilft eine Art Landkarte des Wissens in
verschiedenen Gebieten zu erwerben. Neben den naturwissenschaftlichen Fächern,
der jeweiligen Landessprache und Fremdsprachen, sollten auch Fächer wie
Geschichte oder Philosophie darin aufgenommen werden. Im Idealfall ist dieser
Bildungskanon der Ausgangspunkt dafür sich auf der Basis erworbenen Wissens
eigene Gedanken zu machen und diese für eine Welt im Wandel fruchtbar
einzusetzen. Der Bildungskanon sollte sich zuvorderst nicht darum kümmern
Schülern bloß „skills“ für einen späteren Arbeitsplatz zu vermitteln, sondern
unabhängig davon Freude am Lernen und am „gebildet sein“ wachrufen. Gerade in
Anbetracht einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt erscheint dies weit
wertvoller als Fähigkeiten zu erwerben, die nach einer Weile nicht mehr gefragt
sind.
Neben der analogen Säule
entfernt sich die zweite, digitale Säule von den starren Lehrplänen der
Gegenwart. Vorstellbar wäre eine regelmäßige Zusammenkunft von Lehrern,
Schülern und Politikern auf Ebene der Bundesländer, um aktuelle Entwicklungen
des Schulsystems zu diskutieren. Die Konferenzen, die in regelmäßigem,
mehrjährigem Abstand stattfinden sollten, stellen hierbei folgende Frage in den
Mittelpunkt: „Was und wie wollen wir lernen?“ – Auf dieser Basis diskutieren
die beteiligten Akteure Bildungsfragen und beschließen am Ende in gemeinsamer
Abstimmung Lehrpläne für die kommenden Jahre. Die Schwerpunkte des Plans
könnten hierbei zum Beispiel aktuell debattierte technische Innovationen oder
gesellschaftliche Entwicklungen reflektieren.
Deutlich wird in diesem
Vorschlag, dass es nicht nur darum geht Schüler mit besserem Internet in
Schulen auszustatten oder sie im Programmieren zu unterrichten. Schüler sollten
nicht nur Konsumenten digitaler Produkte sein, sondern mündige Staatsbürger,
die schon früh die geistige Flexibilität erlernen, die eine Welt im Übergang
verlangt.