Claus Leggewie, der Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) in Essen, zählt zu den profiliertesten und umtriebigsten "public intellectuals" in Deutschland. Er prägte unter anderem den Begriff "Multi-Kulti" in Deutschland - lange bevor er die öffentliche Debatte bestimmte - und mischt sich immer wieder mit Verve und Gewandtheit in aktuelle gesellschaftliche Debatten ein. Er forscht zu einer Vielzahl von Themen. Dazu zählen der Klimawandel, die Globalisierung sowie die politische und wissenschaftliche Kommunikation im Netz. - Im Interview mit "kulturlog" spricht er über die Notwendigkeit einer neuen und überzeugenden Erzählung der politischen Linken, den derzeit grassierenden Rechtspopulismus und die Bedeutung Europas.
Herr Prof.
Leggewie, kürzlich saß ich in einem Ihrer Vorträge zur Wahl Donald Trumps. Mir
fiel auf, dass ein Großteil der Zuschauer nicht im Studierenden-Alter war.
Welche Bedeutung hat das Fach Geschichte heute noch für junge Menschen und
welche Bedeutung sollte es haben?
Das Fach Geschichte hat in meinen Augen immer noch eine große
Bedeutung, nur zieht das von Ihnen beschriebene Format eines Vortrages mit
anschließender Diskussion bei Jüngeren nicht mehr. Ich beobachte, dass es viele
jüngere Menschen nicht mehr anzieht. Seit das KWI vor drei, vier Jahren auf
Facebook und Twitter begonnen hat, Werbung zu machen, kommen mehr junge Leute. Aber
ich vermute, das liegt eher an den Zeitläufen. Brexit, Trump und die Gefahr
von Le Pen haben zu einer höheren Diskussionsbereitschaft selbst und gerade
über das Thema Europa geführt.
Wie
beurteilen Sie Diskussionsverläufe, die nicht in Vorträgen, sondern im Netz
stattfinden?
Das vorherrschende Format ist dort nicht das Diskursive, das von
Widersprüchen lebt, sondern die Neigung, sich exklusiv mit seinesgleichen zu
unterhalten. Das Netz gleicht an manchen Stellen einer Kloake, was Kommentare
unter Zeitungsartikeln oder Facebook-Posts angeht. Diese Form der Kommunikation
schlägt alle Beiträge tot, die substanziell sind. Meine Kritik ist, dass es nur
noch um Likes und Non-Likes, also um Prominenz-Tests geht und nicht mehr um die
Sache. Am schlimmsten sind Bots und Internet-Trolle: Wenn ich mich kritisch zu
Russland beziehungsweise Putin äußere, erhalte ich nach der Veröffentlichung Shitstorms.
Die
Auseinandersetzungen im Netz gleichen denen, die es in den 1920er und
1930er-Jahren in der Weimarer Republik zwischen Kommunisten und Faschisten auf
der Straße gab. In der öffentlichen Debatte wird daher gegenwärtig gerne von
einem „Weimar 2.0“ gesprochen. Wie berechtigt ist in Ihren Augen die Sorge, dass
sich Geschichte wiederholt? Welche Rolle spielt eventuell eine gewisse
Geschichtsvergessenheit dabei?
Geschichte wiederholt sich nie und aus der Geschichte kann man
nichts lernen, haben die Historiker recht autoritativ festgestellt. Das
„Weimar-Syndrom“ hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu
zahlreichen Übertreibungen der wehrhaften Demokratie geführt. Vom
Weimar-Vergleich ist also wenig zu halten - außer zurzeit. Ich glaube, dass wir
wieder in eine lange Welle des Autoritarismus eingetreten sind, der in den
Zwanzigern, teilweise auch schon um die Jahrhundertwende, begonnen hat. Mit dem
Aufkommen dieser Welle sind die glücklichen Zeiten der Weimarer Republik in den
Jahren 1923/24 und 1928 jäh abgebrochen. Deutschland ist hierbei keinen
Sonderweg gegangen, dasselbe gilt für Mussolinis Italien, die Machtübernahme
Lenins bis hin zum Stalinismus und auch für viele andere Regionen Europas und der
Welt. Diese Welle des Autoritarismus hat bis in die 1950er-Jahre gedauert.
Danach nahmen die Merkmalsverdichtungen autoritärer Persönlichkeiten wieder ab.
Ungleichheiten wurden zunächst durch den Krieg, dann aber vor allem durch den
Ausbau des Wohlfahrtsstaates, die Bildungsrevolution und durch den Einstieg von
Frauen in den Arbeitsmarkt sehr stark eingedämmt. Bis Mitte oder Ende der
Siebzigerjahre reicht diese Gegenbewegung und löst danach an verschiedenen
Stellen in der Welt neue Formen des Autoritarismus aus. Hierbei sind vor allem
die Islamische Revolution 1979, die neoliberal-autoritären Projekte von
Margaret Thatcher und Ronald Reagan und ein zunehmend euro- bzw. EU-skeptischer
Populismus zu nennen. Letzterer hat sich des leeren Begriffs „populus“ bedient und ihn in eine
exklusive, völkische Variante transformiert, die ganz klar dem alten
Rechtsradikalismus beziehungsweise Faschismus zuneigt. Insofern trifft der
Weimar-Vergleich cum grano salis zu.
Geschichte wiederholt sich zwar nicht und man kann auch wenig aus ihr lernen,
aber wir sind definitiv in eine neue Welle eingestiegen. - Ich möchte an dieser
Stelle kurz noch mal die Gegenwelle beschreiben, die Gesellschaften
modernisiert hat: das war die anti-autoritäre, libertäre Welle. Sie ist ein
Grund für Schärfe und Dramatik des populistischen beziehungsweise
völkisch-autoritären Rückstoßes. Im Raum steht der Gedanke einer Revanche für die
Kulturrevolution 1968.
Wie
beurteilen Sie die Kulturrevolution der „68er“ heute? Was daran reizt die
Rechtspopulisten so sehr, dass sie eine
Konterrevolution anzetteln wollen?
Man kann „68“ als „glücklich gescheitert“ beschreiben, weil diese
Kulturrevolution vieles bewirkt hat, was sie gar nicht bewirken wollte; eine Liberalisierung
der Gesellschaften, mehr Wohlfahrtsstaat,
Vollbeschäftigung. Jürgen Habermas nannte es eine „Fundamental-Liberalisierung der
Bundesrepublik“. Das kann man auf einen Großteil Europas zu der Zeit ebenso
anwenden. Es entstanden Phänomene wie: ein Lob der Vielfalt,
Multikulturalismus, die Frauengleichstellung, die Liberalisierung unserer
sexuellen Vorstellungen und dergleichen mehr. Die Gesellschaften zeigen sich so
bunt wie sie schon immer waren und werden noch bunter durch die 68er.
All das hat die Völkisch-Autoritären, die Ultra-Konservativen und
die Rechtsradikalen über Jahrzehnte hinweg gestört. Was mit dem Namen „68“
richtiger- und falscherweise verbunden ist, soll in ihren Augen nun umgekehrt
werden. – Den Versuch einer konservativen Revolution hat es schon 1968 in Form
der Nouvelle Droite (deutsch: Neue
Rechte) mit Leuten wie Alain de
Benoist und danach immer wieder gegeben. Sie ist nie wirklich gelungen, aber
jetzt hat sie gewisse Chancen. Die Identitären greifen explizit darauf zurück
und bedienen sich ironischerweise 68er Methoden der subversiven Aktion für ihre
Konservative Revolution.
Teilen Sie
die Einschätzung, dass es derzeit keine überzeugende Erzählung der politischen
Linken gibt? – Die These ist ja, dass die politische Linke sehr lange durch
eine große Arbeiterklasse ein einendes Element hatte und durch den Gedanken von
Gleichstellung eine überzeugende Erzählung liefern konnte. – Die neueren Ideen
der politischen Linken, die einer bunten und pluralistischen Gesellschaft,
scheinen nicht allen zu gefallen. - Welche Ideen müsste die politische Linke
einer konservativen Revolution entgegensetzen?
Der Abschied von einer – am Schluss nur noch an einem Mythos
klebenden – Proletariats-Fixierung der politischen Linken ist in den Siebziger-
oder Achtzigerjahren erfolgt. Mein politischer Lehrer André Gorz, übrigens ein
hochaktueller Autor, hat zu jener Zeit in Frankreich das Buch „Adieux au prolétariat“ (deutscher Titel:
Abschied vom Proletariat – jenseits des Sozialismus) geschrieben. Gorz hatte –
auch durch sein Exil und seine Verankerung im politischen Existenzialismus -
einen unverstellten Blick auf Dinge, die sich gesellschaftlich verändern. Die
sozialen Bewegungen der Sechziger- bis Achtzigerjahre waren dabei ganz
entscheidend. Gorz hat gesehen, dass das Selber-machen der Politik, das
Bottom-Up, das Partizipative, nicht weniger war als eine
Beteiligungsrevolution. Natürlich setzte sich das stark ab von dem eher
autoritären Organisationsmodell der Arbeiterbewegung. Inklusive der
Sozialdemokraten haben viele diesen Schock noch nicht ganz überwunden. Weil
diesen Parteien kaum mehr junge Leute folgen, schrumpfen sie. – Ich bin davon
überzeugt, dass in der Arbeiterbewegung durch die Kompression, die sie über
Wellen der Globalisierung in den Kernländern des Industrialismus erfahren hat,
Züge zum Erscheinen gebracht wurden, die immer da waren: rassistisch-xenophobes
Gedankengut oder Frauenfeindlichkeit zum Beispiel. Der französische Soziologe
Didier Eribon hat das in „Rückkehr nach Reims“ anschaulich beschrieben. – Diese
Züge waren in der klassischen Arbeiterbewegung gewissermaßen eingefroren, weil
sich alles dem Ziel einer Revolution unterordnete. Nun, da sie freigesetzt
sind, führen sie zu einer massenhaften Abwanderung von Arbeiterschichten nach
ganz rechts. Wir dürfen allerdings nicht den Fehler machen dieses Phänomen als
den neuen Charakterzug des Proletariats zu begreifen. Die völkisch-nationalistischen
Gruppen erfahren ihre meiste Unterstützung aus der Mittelschicht. – Um das
Proletariat zurückzuholen, bedarf es einer neuen linken, modifiziert anti-kapitalistischen
Programmatik, die drei Dinge kombinieren müsste: Zunächst eine inklusive
Politik für soziale Gerechtigkeit, zweitens alle Fragen, die mit ökologischer
Nachhaltigkeit verbunden sind. Dieser Gedanke umfasst nicht nur den
Umweltschutz, sondern fordert eine gemeinwohlorientierte Ökonomie, die sich an
den Global Commons, den global
öffentlichen Gütern, aber auch den local
commons, orientiert. Diese Orientierung könnte etwa mit einem bedingungslosen
Grundeinkommen kombiniert werden. Drittens müsste mit der anti-kapitalistischen
Programmatik und einer gemeinwohlorientierten Ökonomie ein digitaler
„Wissenskommunismus“ einhergehen, der auf Open-Access-Produkte setzt. Zurzeit
wird das Internet von Geschäftsmodellen der Großkonzerne aus dem Silicon Valley
und China dominiert. – Viele der genannten Ideen tauchten bereits in den
1970er-Jahren auf. Leider sind sie nicht in die Post-1989-Sozialdemokratien
eingeflossen. Dort allerdings gehören diese Ideen dringend auf den Tisch! –
Diese sehr konkreten, reformorientierten Konzepte könnten vermutlich viele
Leute wieder überzeugen, die im Moment frustriert sind.
Der in Yale
lehrende Philosoph Thomas Pogge betont im Hinblick auf die Menschenrechte die
Pflicht eines jeden Menschen etwas gegen die Verletzung der Menschenrechte
einer anderen Person zu tun. Wenn wir diese Idee ernst nehmen, erscheint gerade
in Zeiten der Rückbesinnung auf Nationalstaaten eine Betonung der Bedeutung
Europas und der Vereinten Nationen unabdingbar. Wie schätzen Sie das ein?
Wir müssen an den multilateralen Institutionen, die wir haben,
unbedingt festhalten, sie ausbauen und ihnen mehr Rechte geben. Die Europäische
Union schließe ich hierbei natürlich mit ein. Häufig sagt man mir, ich solle
vorsichtig mit der Betonung der Bedeutung Europas sein, weil die Leute das
nicht mögen würden. Ich glaube gerade jetzt müssen wir stärker denn je die
„Vereinigten Staaten von Europa“ propagieren und uns von dürftigen Gegenentwürfen
der Nationalisten nicht bange machen lassen! In meinen Augen geht es hierbei
nicht nur um die Menschenrechte, sondern auch um den Natur- und Umweltschutz. –
Die schwindende Demokratiezustimmung, die bei
der Kohorte der in den 1970ern und 80ern geborenen Bürger der neoliberalen
Staaten, aber auch der Wohlfahrtsstaaten nachgewiesen werden konnte, muss uns
allen zu denken geben. Es steht vor allem für die jüngeren Generationen mehr
auf dem Spiel als die nächste Weltreise oder der eigene Studienerfolg! Ich habe
schon gesagt, dass die politischen Versammlungen derzeit wieder voller, jünger
und strittiger werden, aber die Instrumentarien, die wir zum Ausdruck einer
politischen Haltung besitzen, müssen überarbeitet werden. Patrizia Nanz und ich
haben versucht Anstöße dazu in unserem Buch „Die Konsultative“
niederzuschreiben. Unsere Vorschlag ist eine deliberative Demokratieform, die
wir „konsultativ“ nennen. Neben den drei bestehenden Gewalten soll sie eine
vierte Gewalt bilden, die ganz dezidiert die Zukunftsinteressen der jungen
Generationen in den Blick nimmt. Es soll hierbei eben nicht um die demographische
Wende oder die Rentenproblematik gehen, sondern um die Frage wie wir uns unsere
offene Gesellschaft im Jahr 2030 oder 2050 im Hinblick auf ökologische
Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und politische Demokratie vorstellen.
David van Reybrouck
provoziert mit der These, dass Wahlen der eigentliche Grund für die Schädigung
der Demokratie seien.
Sein Buch wird mittlerweile oft mit dem unseren in einem Atemzug
genannt. Ich bin aber nicht gegen Wahlen! Das allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht
war und ist eine absolute Errungenschaft. Wahlen sind weiterhin ein Kernelement
der Demokratie. Allerdings bin ich gegen eine Fallbeildemokratie, die allein
auf die Mehrheit hört. Demokratien müssen dringend durch Deliberation und
Konsultation ergänzt werden. Hier jedoch liegt das Problem: Die
Flatterhaftigkeit, welche die neuen Medien geschaffen haben, verhindern solche
- auf Entschleunigung ausgelegten - politischen Prozesse, die schlussendlich
das Ziel einer Beschleunigung derselben haben. Glücklicherweise bricht sich
diese Idee der Deliberation und Konsultation mittlerweile auch Bahn. Es gibt
einige Kommunen, die ihre Art Politik zu machen mit solchen Elementen ergänzen
wollen. Dabei kommt dann auch das von Reybrouck und zuvor schon von Hubertus
Buchstein favorisierte Losprinzip zur Geltung.
Sie haben
das Netz und seine Auswirkungen auf politische Prozesse mittlerweile mehrfach
angesprochen. So genannte Querfront-Medien erhalten immer mehr Zuspruch,
gleichzeitig nimmt das Vertrauen in Magazine oder Tageszeitungen, die für eine
ausgewogene Berichterstattung stehen, immer mehr ab. Karl Popper sah diese
Spaltung in unterschiedliche Stämme als Bedrohung der offenen Gesellschaft. Wie
finden wir zu einem neuen Diskurs?
Eine ganz schwierige Frage! – Ich habe mich mit dieser Thematik in
letzter Zeit intensiv beschäftigt. Dabei schaue ich mir vor allem an wie
„E-Democracy“-Projekte funktionieren. Ich stelle fest, dass diese Minderheitenveranstaltungen
sind, die oft im Projektstatus steckenbleiben. Es gibt Projekte, die soziale
Netzwerke aufklären wollen. Die Idee dabei ist es, uns durch technische
Veränderungen immer wieder auch mit anderen Meinungen zu konfrontieren. Das Diskursive
soll hierbei also gestärkt werden. Einen anderen Weg gehen die „Bundeszentrale
für politische Bildung“ sowie der öffentliche Rundfunk. Sie experimentieren mit
dem von den Piraten genutzten „Liquid Democracy“-Format. Ob all das
funktioniert, weiß ich nicht, aber wir sollten weiter damit experimentieren.
Dennoch: Am wichtigsten erscheint es mir, eine deutliche Steigerung öffentlicher
Veranstaltungen einzufordern. Es braucht mehr Graswurzel-Demokratie über die
man sich am Arbeitsplatz, in der Universität oder im Freundeskreis austauschen
kann. Es braucht Menschen die sagen: „Wir reden seit einer Stunde über unsere
Urlaube oder gesunde Ernährung. Lasst uns zum Wesentlichen kommen!“. Es bringt
nichts, zu lamentieren oder zu resignieren. – Ich werde meiner 13-jährigen
Tochter oder meinen Studenten niemals gegenübertreten und sagen: „Wir hatten es
gut und ihr seid jetzt schlecht dran! Sorry – da kann man nichts machen.“ Das
kann und will ich mir nicht erlauben! Wir müssen das Element der
Generationengerechtigkeit ins Zentrum unseres politischen Denkens rücken. Und
was die Printmedien betrifft – die US-Qualitätszeitungen verzeichnen in der Ära
Trump großen Zuspruch!
Derzeit grassiert
ein starker Anti-Elitarismus, der sich gegen eine unbestimmte Anzahl von Gruppen
wie Politiker, Journalisten oder Intellektuelle richtet. Dieser beherrscht
nicht nur Diskussionen der rechten Milieus sondern zunehmend auch bürgerliche
oder linke Kräfte. Wie begegnet man diesem?
Zunächst indem wir alle aufhören, den populistischen Unsinn
nachzuplappern. Ich kann mittlerweile zwischen Jean-Luc Mélenchon, dem
Vorsitzenden der Linkspartei in Frankreich und Marine Le Pen kaum noch einen
Unterschied erkennen. Dasselbe gilt für all die russophilen Putin-Versteher,
die in Deutschland umherlaufen und nicht wahrnehmen, wie dort Freiheit mit
Füßen getreten wird. – Es müsste sich
eine Generation der Mitte Gehör verschaffen, die sozialstrukturell und
politisch-weltanschaulich in der Mitte steht. Jeder, der zwischen dreißig und
fünfzig Jahre alt ist und sich politisch wenig artikuliert, müsste auf Basis
einer Graswurzel-Demokratie, die global denkt, den Mund auftun! – Ein Beispiel:
Vor der Wahl war ich in Amerika und habe mit vielen Menschen gesprochen, die zu
mir sagen: „Ich kann Hillary Clinton nicht wählen“. Wer so wenig Durchblick
hat, dass er nicht erkennt, dass Hillary Clinton die erheblich bessere Wahl
gewesen wäre, dem ist nicht zu helfen. Hier zeigt sich eine anti-politische
Einstellung. – Die linken Parteien in Deutschland spiegeln das in einer Form
der frustrierten Dauer-Desillusionierung. Das ist grauenhaft unpolitisch! – Unterstützt
wird das Ganze durch den Generalangriff von Google et al. auf Stützen des
europäischen Geisteslebens, wozu vor allem auch Qualitätsmedien zählen.
Dummerweise bekommen das viele Nutzer der sozialen Medien überhaupt nicht mit.
– Die 68er hatten eine Anti-Springer-Kampagne. Wo ist die Anti-Google- oder
Anti-Facebook-Kampagne? – Ich glaube, dass dort wesentlich mehr passieren
müsste. Allerdings heiße ich nicht Herbert Marcuse und bin der Apo-Vater der
89er-Generation. Das muss die schon selbst organisieren.
Abschließend:
2017 ist Bundestagswahl. Wie überzeugt man die Bürger davon, an die
Urne zu gehen und anti-demokratische Parteien
nicht zu wählen?
Das Spektrum schwankender Wähler, die nicht unbedingt aus tiefer
Überzeugung Parteien wie die AfD wählen, muss durch eine klare Programmatik,
überzeugende Personen und eine optimistische Zukuftszugewandtheit von einer
alternativen Politik überzeugt werden. Leider sehe ich eine solche bei
Rot-Rot-Grün bisher zu wenig, das ist vor allem Koalitionsgeplänkel. Diese drei
Parteien müssen aufwachen! Ich glaube, dass sie noch nicht kapiert haben, was
auf dem Spiel steht. - Der größte Fehler den CDU/CSU machen könnten, wäre es,
sich den Rechten anzudienen! Wenn die Union symbolische Politik mit dem Burka-Verbot
oder dem Verbot doppelter Staatsangehörigkeit macht, sammelt sie Stimmen für
die AfD. Ich muss dazu sagen, dass ich weder ein Freund der Burka bin, noch per
se für eine doppelte Staatsbürgerschaft eintrete. Mir geht es darum zu
verhindern, dass Koalitionen zwischen der AfD
- selbst wenn sie oberflächlich weniger radikal daherkommt - und der
Union möglich werden! Wenn die CDU diesen Weg geht, droht ihr das Schicksal der
SPD, die mittlerweile in drei Teile zerfallen ist. Martin Schulz ist bisher ein
empty signifier, da muss programmatisch nachgelegt werden. Sonst beruht sein
möglicher Erfolg auf dem Schrumpfen der Grünen, ein Pyrrhussieg...