In unserer schnellen Welt Antworten auf die großen Fragen zu finden oder Zusammenhänge zu erkennen, fällt immer schwerer. Die Angst davor abgehängt zu werden, macht Menschen empfänglich für einfache Antworten.
Es stehen uns so viele Antworten wie nie zuvor zur Verfügung. Wer sich nicht mehr daran erinnern kann, wie schnell das Licht durchs Weltall rast oder warum Blätter im Herbst ihre Farbe wechseln, erhält mit ein paar Mausklicks und der Hilfe von Suchmaschinen wie Google, Yahoo oder Bing eine schnelle Antwort. Fakten abzurufen ist so leicht wie nie zuvor.
Gleichzeitig ist es schwieriger denn je, Zusammenhänge zu verstehen. Die Verzahnung der Welt, all die politischen Verträge zwischen einzelnen Staaten, die komplizierten Ströme der weltweit gehandelten Güter und kulturelle Differenzen, lassen sich nicht einfach mit einer Suchmaschine begreifen. Den amerikanischen Philosophen Michael Patrick Lynch führte diese Erkenntnis in seinem Buch "The Internet of Us" zu der Feststellung, dass wir im so genannten "Big Data"-Zeitalter mehr wüssten als je zuvor, aber immer weniger verstünden. Diese Erkenntnis hatte bereits T.S. Eliot - siebzig Jahre vor Lynch. Er schrieb 1934: "Where is the wisdom we have lost in knowledge? Where is the knowledge we have lost in information?". Diese Frage ist heute aktueller denn je. Durch die vielen Möglichkeiten sich über Liveticker, Eilmeldungen oder Livestreams über den aktuellen Zustand unserer Welt zu informieren, sind beinahe unbegrenzt. An manchen Tagen setzen die großen Medienhäuser zehn Eilmeldungen ab. Informationen gelangen ohne Zeitverzögerung und ungefiltert zu uns. Jeder, der ein Smartphone besitzt, erhält fast ebenso schnell Agenturmeldungen wie die Zeitungsredaktionen.
Das führt dazu, dass sich bei vielen ein Gefühl von Ohnmacht ob des Tempos unserer Welt breitmacht. Es fällt immer schwerer Zusammenhänge zwischen einzelnen Ereignissen zu bilden oder die Wichtigkeit von Nachrichten zu sortieren. Plötzlich werden die Ergebnisse eines Fußballspiels auf derselben Ebene wahrgenommen wie ein Flugzeugabsturz. Es lässt sich mittlerweile eine gewisse Routine beim Wahrnehmen von Schreckensmeldungen feststellen. Zumindest solange die eigene Sphäre davon nicht direkt betroffen scheint. - Die Terroranschläge von Brüssel und Paris sowie die Flüchtlingskrise zeigen, dass Menschen beginnen panisch zu reagieren, wenn ihr direktes Wahrnehmungsfeld betroffen ist. Da sich Zusammenhänge nur noch schwer herstellen lassen und Reizworte wie "Krise" oder "Anschlag" sehr schnell auf fruchtbaren Boden fallen, suchen viele Menschen nach einem rettenden Orientierungspunkt. Sie fühlen sich abgehängt und überfordert. Sie fühlen sich, als kümmerte sich niemand um ihre Belange, weil diese scheinbar nicht in den Medien auftauchen.
Deshalb verfangen einfache Antworten derzeit besonders gut. In ganz Europa sowie in den Vereinigten Staaten von Amerika, entdecken die Menschen plötzlich ihren Nationalismus wieder. Es erscheint ihnen leichter die Welt auszuschließen und sich engstirnig den Gruppenzugehörigen zuzuwenden.
In Zeiten der einfachen Antworten ist es umso wichtiger, dass Medien und Politik ihre Aufgabe gewissenhaft wahrnehmen und Zusammenhänge erklären. Die Verunsicherung vieler Menschen lässt sich nicht durch markige Sprüche oder noch mehr Informationen überwinden, sondern nur durch viel Zeit und die Fähigkeit zu erklären wie bestimmte Entscheidungen oder Ereignisse zustande kommen. Die einfachen Antworten der Nationalisten können gegen Sachlichkeit und Besonnenheit nichts ausrichten.