Mit lüsternen Augen gafft ein Mann mittleren Alters die
Kellnerin eines Eiscafés an während diese routiniert wie immer die Bestellung
des Herrn aufnimmt. Solche Szenen sind in Deutschland leider noch immer
tägliche Realität. Männliche Augenpaare wandern von Dekolleté zu Dekolleté und
von Hintern zu Hintern. Ab und zu greifen sie danach, manchmal reicht ihnen ein
zotiger Spruch um sich anschließend genüsslich zurückzulehnen und sich wieder
sich selbst zu widmen. Ob in der U-Bahn, im Café oder Restaurant, im Büro oder
in den Fußgängerzonen; Sexismus und Frivolität kennen keine festen Grenzen.
Ihnen zu entgehen ist praktisch unmöglich. Seit Tagen wird in Deutschland nun
der so genannte „Fall B.“ (wahlweise auch „Fall H.“) diskutiert. Eine
Journalistin wirft Herrn B. vor, er habe sich ihr gegenüber unflätig verhalten.
Ob sie es wollte oder nicht, in den Feuilletons und auf den Straßen, in den
Friseursalons und am Stammtisch hat sie mit ihrem Artikel eine überfällige Debatte
über Sexismus in Deutschland losgetreten. Schon längst geht es nicht mehr um
einen „Fall B.“ sondern um die Frage wo die Trennlinien zwischen Sexismus und
Spannerei, zwischen gewollter Provokation und blanker Unwissenheit liegen. Sich
als Mann zum Thema Sexismus zu äußern scheint vielen sehr schwer zu fallen.
Entweder nehmen die Herren eine radikale Verteidigungslinie ein oder sie werden
ausfällig. So ist es Ulf Poschardt geschehen, der dem „Stern“ in dem der
Artikel über Herrn B. zu lesen war, vorwarf es sei eine „Godard-Pointe“, dass
gerade dieses Magazin, welches den „weiblichen Körper gern in seiner nacktesten
Form zum Verkauf anbietet“ diese Debatte hatte beginnen müssen. Was haben die
Titelseiten des „Stern“ mit einer inzwischen wesentlich breiter geführten
Debatte über Sexismus zu tun? Es scheint hierzulande nicht möglich zu sein wichtige Themen
ohne ein Fallbeispiel zu erörtern. Sexismus ist hierbei bloß das aktuellste
Beispiel. Die Frage wo die Grenzen des guten Geschmacks und der Anfang des
siechen Altherrenwitzes liegen, muss nun endlich einmal zu Ende geführt werden!
Sich hinter einen „Stern“-Artikel zurückziehen und ihn bis in die letzte Pore
zu analysieren oder die Journalistin beziehungsweise den Herrn B. zu
beleidigen, kann nicht das eigentliche Ziel sein. Es wird Zeit, dass Sexismus
und seine Ausformungen auf Augenhöhe und ohne Anfeindungen zwischen Männern und
Frauen diskutiert werden.
Anmerkung: Am 31. Januar 2013 erschien in der "Berliner Gazette" eine stark erweiterte Ausgabe dieses Kommentars. http://berlinergazette.de/sexismusdebatte-aufschrei/
Anmerkung: Am 31. Januar 2013 erschien in der "Berliner Gazette" eine stark erweiterte Ausgabe dieses Kommentars. http://berlinergazette.de/sexismusdebatte-aufschrei/