Warum verurteilen wir sexuellen
Missbrauch und zucken mit den Schultern, wenn unsere Daten missbraucht werden? Beinahe
die Hälfte aller Westdeutschen lehnte vor 25 Jahren eine geplante Volkszählung
ab, die Daten wie die Konfession oder die Einkommensverhältnisse abfragen
sollte. Heute stellen wir viele solcher Informationen ganz freiwillig ins Netz.
Wir haben verlernt zwischen sensiblen und unwichtigen Daten zu unterscheiden.
Vor allem unser Verhalten in sozialen Netzwerken trägt dazu bei. Hier
kombinieren wir etwas so Sensibles wie die politische Gesinnung mit banalen
Statusanzeigen wie „Schönes Wetter heute“. Unsere Mitteilsamkeit im Internet
macht uns angreifbar. Im Vergleich zu 2010 wurden 2011 zwanzig Prozent mehr Straftaten
im Internet verübt. Seiten, die zum Beispiel unsere Kreditkartennummer
verlangen, überfliegen wir bloß noch. Nie überprüfen wir den Betreiber. – Wir
laden Hacker und Großkonzerne durch unsere Gutgläubigkeit geradezu ein, unsere
Daten zu schänden. Aus Angst, dass der Staat unsere Daten missbrauchen könnte,
erstritten sich Bürger 1983 das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“;
ein Meilenstein für unser heutiges Datenschutzgesetz, welches als eines der
striktesten der Welt gilt. Datenschutz ist ein Grundrecht, das in einer Welt,
die sich ein Pendant im Internet geschaffen hat, immer kostbarer wird. – Da ein
Großteil unseres Lebens inzwischen untrennbar mit dem Netz verbunden ist – durch Online-Shopping, beispielsweise – sollten wir unser vielleicht wichtigstes
Grundrecht achten. Nietzsche irrte, als er sagte: „Viel von sich reden kann
auch ein Mittel sein, sich zu verbergen“. Je kopfloser wir uns im Netz bewegen,
desto größer wird die Gefahr, dass unsere Daten missbraucht werden. Bürger
vor 25 Jahren ahnten das. Wir sind weit davon entfernt.