01 Oktober 2012

Filmrezension: "Moonrise Kingdom" – Ausriss ins Paradies.

Wes Anderson ist bekannt dafür, dass seine Kinofilme sich fernab des Hollywood-Mainstreams bewegen und doch immer wieder Anknüpfungspunkte für ein breites Publikum finden. Sein Trick: Er macht alles bloß ein bisschen anders. 

Ein bisschen erinnert Wes Anderson an Richard David Precht. Beide haben langes, braunes Haar, tragen gerne Cord-Sakkos und haben Philosophie studiert. Doch anstatt von "Populärphilosophie" zu leben, macht Anderson Filme. Einzigartige, phantasievolle Filme. Im Sommer 2012 erschien nun Andersons neuster Film 'Moonrise Kingdom'. Ein Film, der die Genres Komödie, Roadmovie und Tragödie streift und sie am Ende doch ganz und gar nicht berührt. 'Moonrise Kingdom' ist eine Reise. Eine Reise in die Vergangenheit, an fiktive Orte. Er lotet Tabus aus, bricht mit den üblichen Erzählformen des modernen Kinos und unterhält. 97 Minuten lang befindet sich der Zuschauer auf der von Wes Anderson und Roman Coppola geschaffenen fiktiven Insel New Penzance Island vor der Küste New Englands. Der Film schreibt das Jahr 1965. Die Bewohner leben in einer Welt voll blasser Farben - vornehmlich rosa, rot, blau und gelb - und niedlich in die Landschaft drapierter Häusschen. Unter der Oberfläche jedoch verlaufen tiefe Konfliktlinien. Suzy Bishop (gespielt von der herausragenden Debütantin Kara Hayward) und Sam Shakusky (Jared Gilman) fliehen vor ihren Verpflichtungen und Problemen. Gemeinsam schlagen sie sich in die Wildnis und beginnen sich ineinander zu verlieben. Suzy wird von ihren Eltern (Bill Murray und Frances McDormand) und ihren drei jüngeren Brüdern für psychisch labil und gestört gehalten. Sie hat keinerlei soziale Kontakte und beobachtet die Welt lieber durch ihr Fernglas und versinkt in Fantasyromanen, die von Wesen mit besonderen Kräften handeln. Sam erklärt sie, mit dem Fernglas sei alles näher dran und sie sehe mehr.  Sie halte diese für ihre magische Kraft, berichtet sie weiter. Sam Shakusky ist bei den Pfadfindern, hat dort jedoch einen schweren Stand. Niemand kann ihn leiden. Seine Eltern sind tot und seine Pflegeeltern wollen ihn nicht mehr aufnehmen. Mit dem Ausriss von Sam und Suzy beginnt eine irrwitzige Verfolgungsjagd, die von einem "Jahrhundertsturm" erschwert wird und die Geschichte einer Liebe, die sich manch ein erwachsenes Paar wünschen würde. Wes Anderson überzieht das Klischee der ersten Liebe sowie der ernsthaften Liebe köstlich mit gekonnten, wenngleich kleinen Hinweisen und Situationen. Dass diese Liebe nichts trennen kann, zeigt die Schlusseinstellung des Filmes. Der Ort an dem sich Suzy und Sam das erste Mal küssten, verschwand im Sturm, doch auf einem Bild hält Sam ihn fest. Auf der Leinwand findet sich der neue Name für den Ort, der so besonders für Suzy und Sam war. Moonrise Kingdom. Gemalt als hätten die Beiden Kieselsteine an den Strand gelegt und damit diese beiden Worte geformt. - Anderson, der mit 'Moonrise Kingdom' seinen siebten Spielfilm vorlegte, überzeugt bis ins kleinste Detail. Das Ensemble, bestehend aus großen Namen, ist sich für keine skurrile Situation zu schade, die Kinderdarsteller Kara Hayward und Jared Gilman überzeugen in jeder Szene und die Dialoge sowie das Set sind ein Genuss. Jedes Detail scheint geplant, jeder Dialog geschliffen. Anderson hat den Ausriss als Reise inszeniert, die in einem scheinbaren Paradies stattfindet. Doch Innen lauern immer wieder Gefahren, die einem (jungen) Menschen das Glück verwehren. - 
Zumindest mit diesem Film schafft Wes Anderson ein Stückchen Glück.

9/10